Die Reportage Aktion "Bombenentschärfung" erfolgreich abgeschlossen
Kompliment an Feuerwehr, Rettungsdienst und Lubinus-Mitarbeiter
Lubinus Clinicum, 08:00 Uhr, Seminarraum. Letzte Besprechung des „Orgateams“. 9:00 Uhr, Konferenzraum. Der Countdown läuft. Eine gute Stunde vor Beginn der Evakuierung des Clinicums berichtet der Vorstandsvorsitzende der Lubinus-Stiftung, Manfred Volmer, in einem Pressegespräch über den Stand der Vorbereitungen zur Evakuierung der Klinik. Die wichtigsten Medien des Landes, darunter vier Fernsehteams, Hörfunk- und Zeitungsreporter, sind an den Steenbeker Weg kommen, um über die bisher einmalige Aktion zu berichten.
Keine zwei Tage, nachdem der Blindgänger aus dem Zweiten Weltkrieg in der Nähe lokalisiert wurde, hatte man Zeit, sich auf die Totalräumung des Krankenhauses vorzubereiten. "Eine Evakuierung aus dem Vollbetrieb in dieser Größenordnung ist schon eine sehr große Herausforderung für jedes Krankenhaus, die sich im laufenden Betrieb befindet", berichtet Manfred Volmer. Gleich nach Bekanntwerden, dass das Lubinus Clinicum evakuiert werden muss, startet die interne Logistikmaschenerie. In eilig einberufenen Konferenzen wird die totale Räumung minutiös geplant. Erstes Ziel war es die Patientenzahl von 140 am Dienstag auf fast 50 transportbereite Patienten zu reduzieren. Freie Kapazitäten in anderen Krankenhäusern werden ermittelt, die Details der Versorgung abgesprochen und die Modalitäten verhandelt.
Aufnahmekapazitäten findet man im Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, im Städtischen Krankenhaus Kiel und dem zu Lubinus-Stiftung gehörenden Sankt Elisabeth Krankenhaus Kiel. Der Operationsbetrieb muss sofort auf das medizinisch dringliche und notwendige reduziert und am Tag der Evakuierung völlig eingestellt werden, schließlich will man die Zahl der Intensivpatienten verringern, deren Verlegung eine besondere Herausforderung darstellt. Auch die Sprechstunden enden am Räumungstag um 14:00 Uhr, was genauso auch für die Notfallambulanz gilt. "Es muss auf unzählige Dinge geachtet gedacht werden", sagt Manfred Volmer, "Patienten müssen abbestellt und neue Termine gefunden werden, was im Augenblick wegen der großen Behandlungsnachfrage gar nicht so einfach ist".
Auch die Logistik selbst stellt die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor große Herausforderungen. Am Donnerstag stehen dann noch fast 50 Patienten für den Transport an, müssen ihre Betten verlassen, werden mit Rettungswagen in die benachbarten Krankenhäuser gefahren, um dort in einem neuen frischen Bett in sicherer Entfernung vom Sperrgebiet auf die Entwarnung zu warten. "Die Feuerwehr ist in Evakuierungsfragen sehr geprobt, sie hat uns sogenannte Evakuierungs-Transportkarten zur Verfügung gestellt, die mit dem Patientenlisten abgeglichen werden. Denn wir wollen auf jeden Fall vermeiden, dass wir nach der Aktion irgendwo einen Patienten suchen müssen", berichtet Volmer. Und es stellen sich immer neue Fragen. Wo werden die Betten bis zur Rückkehr der Patienten "geparkt", wie kommt das Fachpersonal in die einzelnen Kliniken zu seinem Patienten und natürlich auch die Frage, wie kommen sie zurück und wo bleiben die Mitarbeiter, die im Spätdienst sind.
Um 10:45 Uhr geht es los, die ersten Rettungswagen fahren vor. Zehn Patienten sind in den Eingangsbereich gefahren worden und werden ins Städtische Krankenhaus gebracht. Das Pflegepersonal ist bereits vor Ort, wurde mit einem von der Feuerwehr zur Verfügung gestellten Shuttle vorausgefahren.
Waltraud Hüttmann gehört zu den ersten, sie ist vor zwei Tagen an der Hüfte operiert worden und fürchtet sich ein wenig vor dem Transport. "Der Arzt, der mir gerade gesagt hat, wohin ich komme, ist sehr nett und hat mich wirklich beruhigt, so dass ich jetzt keine Angst mehr habe“, sagt die Patientin. Dr. Sebastian Eschenfelder ist im Clinicum für den Transport zuständig und spricht mit jedem einzelnen Patienten. „Alle Patienten haben absolutes Verständnis dafür, dass wir während der Entschärfung der Fliegerbombe das Haus räumen und alle das Haus verlassen müssen. Wir bekommen viel Lob dafür, dass hier alles so reibungslos funktioniert“. Lob nicht nur seitens der Patienten, sondern auch große Komplimente von der Feuerwehr und den Rettungsdiensten, was den Mediziner und sein Evakuierungsteam natürlich freut. So einen großen Einsatz in der Form, habe es bisher noch nicht gegeben.
Patient Philipp Ludwig findet ebenfalls, dass alles richtig gut klappt. Der 42-jährige frühere Tiefbauer aus Bokel hat eine neue Hüftprothese erhalten und soll am Montag entlassen werden. Für ihn ist diese ganze Aktion eher eine angenehme Abwechslung im Klinikalltag. "So viele Rettungswagen und Kamerateams habe ich auf einmal noch nie gesehen" sagt er amüsiert lächelnd, als er sich die Evakuierungskarte mit seinen Patientendaten vorzeigt, um eingetragen zu werden. Er weiß, dass das Lubinus-Pflegepersonal und die Fachärzte vom Steenbeker Weg die Patienten begleiten und in den jeweiligen Krankenhäusern für Mittagessen und Abendbrot gesorgt ist. Es sind einige Chargen erforderlich, bis alle Patienten auf die einzelnen Krankenhäuser verteilt sind.
Es klappt alles wie am Schnürchen, gegen 13:20 Uhr haben die stationären Patienten das Haus verlassen. "Wir müssen der Feuerwehr, den Rettungsdiensten und der Stadt ein sehr großes Kompliment machen", sagt Manfred Volmer, "sie arbeiten hoch professionell und man merkt, dass sie das nicht zum ersten Mal machen. Wir konnten uns auf alle Absprachen verlassen und die Evakuierung hat ohne wenn und aber reibungslos funktioniert".
Mittlerweile sind auch die Sprechstunden beendet und die Patienten haben das Gelände verlassen. Die Mitarbeiter der Verwaltung machen Feierabend, die anderen werden mit einem Shuttle in die Turnhalle am Holstein Stadion gefahren, in der sie mit Kaffee, Kuchen und einem warmen Mittagessen bis zur Rückkehr in die Klinik versorgt werden. Dann folgt noch durch die Haustechnik ein letzter Rundgang durch das ganze Clinicum, es wird geschaut, ob sich wirklich kein Mensch mehr im Gebäude aufhält und dann wird alles ordentlich verriegelt.
Wie zu erwarten war, hat die Entschärfung knapp eine Stunde gedauert. Nach der Entwarnung beginnt sofort der Rücktransport. Auch das funktioniert wie am Schnürchen.
Um 20:04 Uhr liegen alle Patienten wieder in den Betten am Steenbeker Weg und langsam kehrt in der Klinik wieder Ruhe und Normalität ein. Doch auch zwischendurch ließen es sich einige Patienten nicht nehmen, mit umgeknicktem Fuß, Zehenbruch und anderen Unfallerkrankungen in die Notfallambulanz zu kommen, obwohl diese offiziell geschlossen hat. „Ein Patient kam direkt mit den zurückkehrenden Kolleginnen und Kollegen in das Clinicum, die die Entschärfung in der Turnhalle abgewartet haben. Natürlich haben wir diese Patienten neben der Evakuierung fachgerecht versorgt“, berichtet Dr. Sebastian Eschenfelder.
Seit Freitag läuft wieder der normale Klinikbetrieb, die Notfallambulanz ist im Einsatz, Operationen finden statt und die Sprechstunden sind wieder geöffnet. Vorstandschef Manfred Volmer ist zufrieden mit dem Ablauf der Aktion und vor allen Dingen auch mit dem Engagement und der Professionalität der Lubinus-Mitarbeiter. "Ich möchte in aller Öffentlichkeit unseren Mitarbeitern nicht nur zu dieser Leistung gratulieren, sondern ihnen auch sehr herzlich danken". So etwas erlebe man nicht alle Tage und sei eine sehr große Herausforderung an alle Beteiligten gewesen. Mit Engagement, Weitsicht und Kompetenz habe man in hervorragender Zusammenarbeit mit der Feuerwehr und dem Rettungsdienst diese Mammutaufgabe gelöst. "Ich war von der Einsatzbereitschaft aller Beteiligten angetan, die über das normale Maß an Arbeit und Zeit hinaus ging. Ich empfinde dies als eine Wertschätzung gegenüber dem Hause Lubinus". (Bericht: Gerd Rapior)